Edelgard Stryzewski-Dullien

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Frauenleben

Ich setze mich seit meiner Studienzeit mit dem Akt- und Bewegungszeichnen auseinander , also mit dem menschlichen Körper und seiner Beziehung zum Raum. Neben einer Nähmaschine aufgewachsen und geübt im Umgang mit Textilem verwob sich schnell die Zeichnung oder Malerei mit dem Leinen, auf dem sie entstand.

Ich begann die Bilder zu nähen, zu stopfen und zu spannen, das weiße Stoffreliefs entstanden, die reliefartig in den Raum hineingingen und dadurch auf eine andere Art mit Licht und Schatten spielten, als es die flächige Zeichnung konnte. Ich spannte sie zunächst auf Bilderleisten, noch stark im Abbildcharakter verhaftet, verbanden sich die Arbeiten bald mit Fundstücken, mit Sperrmüllteilen oder andere Materialien. Dadurch verließ ich den Bildcharakter und erreichte eine Verknüpfung von unterschiedliche, auch symbolischen Ebenen, da sich Fundstück und seine Bedeutung mit der Wirkung der genähten Objekte neu Assoziationen und Blickwinkel im den Köpfen den Betrachter.

Es entstand ein Zyklus FRAUENLEBEN, der immer noch weiter wächst und sich mit dem Rollenverständnis von´Frauen und Männern auseinandersetzt.

Blautopflau

Seit Beginn meines künstlerischen Arbeitens setzte ich mich immer wieder mit Märchen und mythologischen Bildern auseinander und schaffte, neue sinnliche Formen der Interpretation. Das geschieht durch Fundstücke, Objekte, Aktionen und zyklische Installationen.

Die Begegnung mit der Mär der schönen Lau im Blautopf in Blaubeuren , aufgeschrieben von Eduard Mörike, beeindruckte mich sehr. Moritz von Schwindt illustrierte Szenen aus dem Kunstmärchen. Ich nehme drei Bilder aus dem Leben der Lau heraus, adaptiere die Zeichnungen und übertrage sie in eines meiner künstlerischen Medien: in Garn und Stoff und Stopfung.

Drei Meter hohe Stoffbahnen steigen aus Zinkwannen mit Farbsud in den Blautopffarben auf. Jedes Tuch trägt überlebensgroß eine Abbildung der Wasserfrau. Je nach Beleuchtung und Lichteinfall, nach Standort des Betrachters und Bewegung im Raum verändert sich die Wahrnehmung: einmal plastisch und haptisch, aber auch durchscheinend und mehrdeutig, als Gesamtbild sich überlagernd nimmt die Installation die schillernde Wirkung dieses Zwischenwesens BLAUTOPFLAU auf.

Allerleiraurapunzel

Diese Installation besteht aus Objekten zu  Märchen, die einen engen Kontakt zu meinem Leben haben.  
Zunächst waren es Zitate aus den Märchen, die mich zu den Objekten angeregten. Die Zitate bestehen aus Erinnerungsfetzen und Bildern, die Märchenzeilen bei mir hervorgerufen haben. Ich setzte meine Gedanken assoziativ in Objekte um. Gleichzeitig entwickelte sich aus den Märchentexten ein neues, ganz individuelles Märchen, ein Lebensmärchen, in dem jedes Objekt und jeder Text einem Jahrzehnt meines Lebens zugeordnet ist. Diese Installation wächst noch weiter.
Die Objekte bestehen  aus Materialien, die ich ziellos  über lange Zeit gesammelt hatte, aus Fundstücken, gebrauchten Gegenständen und aus „authentischen“ Stoffen und Textilien, die alle schon einmal eine andere Bestimmung in meinem Lebe gehabt haben. Ich verwebe diese Materialien mit den Märchenassoziationen und mit meinen Lebenslinien. Objekte und Texte rufen beim Betrachten durch die Zusammenstellung verblüffend neue Assoziationen hervor.

Allerdings gehen beides, Objekte und Texte, weit über die Anbindung nur an einen individuellen Lebenslauf hinaus: Sie hinterfragen kritisch die Rollenbilder in den Märchen und ihren Zusammenhang mit den damaligen und heutigen Gesellschaftsabhängigkeiten und machen gleichzeitig Mut, die Zeichen und Bilder, die Märchen enthalten, ganz persönlich für sich und im Zusammenhang mit dem eigenen Ich zu nutzen und zu deuten.

Cerinek-Birken

In Cerinek in der Tschechien fand ein Symposium mit tschechischen, polnischen und deutschen Künstlern statt. Mitten in einem Naturschutzgebiet arbeiteten sie miteinander zum Thema Natur, hauptsächlich mit den Materialien, die sie am Ort fanden.

Mir begegneten hier zum ersten Mal Birken in so einer Menge und Vielfalt, wie ich sie noch nie wahrgenommen hatte. Die hellen Rinden strahlten unendlich viele Abstufungen von Weiß ab, die dunklen Flecken schimmerten in Farben von Rot bis Schwarz.

Ich nutzte die lebenden Stämme als Druckstöcke. An manchen Bäumen färbte ich das Dunkle mit Schwarz und unterschiedlichen Beimischungen, umwickelte sie mit Zeichenpapier und druckte so die Muster ab. Die weißen Flecken bedeckte ich mit weißer Farbe. Hier nahm ich ungebleichte Papiere, es entstanden Fahnen mit dem Negativabdruck der lebenden Bäume. Als dritten Weg, die Flecken- und Flächenhaftigkeit der Birken festzuhalten, wählte ich die Art japanischer Tuschezeichnungen, auf sehr leichtem Papier den Kontrast der Rinde und die wechselnde Fleckenhaftigkeit des Sonnenlichtes wiederzugeben.

Ich schenkte dem Birkenwald alle Abdrücke und bildnerische Auseinandersetzungen zurück, indem ich die Papierfahnen zwischen die Bäume hing: Die Installation wirkte wie ein Spiegel oder wie ein Brief an diese Landschaft. Die künstlerischen Antworten auf den Birkenwald waren eine zeitlang dem Wind und der Witterung ausgesetzt wie die Bäume selbst. Die Birke taucht noch mehrfach in meinen Arbeiten auf.