Edelgard Stryzewski-Dullien

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Genähtes

Edelgard Stryzewski Dullien bei der Arbeit

Als Tochter einer Schneiderin bin ich neben der Nähmaschine und mitten unter Stoffen und Garnen aufgewachsen. Da war der Weg von der Zeichnung hin zum genähten, dreidimensionalen Relief nicht weit.

Ich gehe dabei real ins Räumliche: mittels Malerleinwand, Nessel , Batist oder Wischgaze werden Akte und Zeichnungen umgewandelt. Sie werden genäht, gestopft, lose gehängt oder aufgezogen. Mit Stoff, Nadel und Faden entstehen so Gebilde und Objekte, die in ihrer monochromen Farbigkeit still und klar wirken. Mit ihrer angedeuteten Plastizität ruhen sie in einem eigenen Raum zwischen Zeichnung und skulpturalem Objekt. Durch wechselnden Lichteinfall und variierende Schatten entwickeln die Formen ein sensibles und bewegtes Eigenleben.

Aktion 21

Aktion 21

AKTION 21 bezieht sich auf 21 Tage, an denen Künstler des WBK im Forum für Kunst und Architektur im Forum selbst arbeiteten, um dann die Ergebnisse in einer Ausstellung zu präsentieren. Es arbeiteten fünf Gruppen mit unterschiedlichen Ansätzen und Materialien.

Ich entwickelte dazu eine Performance, in der ich die Grundelemente jeder Arbeit aufgriff, sie miteinander zu einer Geschichte verwob und diese Geschichte „im Tuch“ erzählte. In den Aktionen verwende ich oft Tücher, die im Außen- oder Innenraum gespannt werden und in denen sich Körper abdrücken, bewegen, Geschichten erzählen. Es entsteht dann ein bewegtes Relief. Bei der Aktion 21 konnte ich Säulen nutzen, die den Innenraum stützen. Das Tuch wurde um sie herum vor eine Fensterwand gespannt. Zusätzlich fiel Tageslicht aus Kuppeln in der Decke auf das Tuch, dass sich zu der Reliefwirkung Schattenwürfe ergaben, die die Plastizität unterstützten und verstärkten.

Mädchenbilder

Mädchenbilder

Die "Mädchenbilder" sind zunächst Portraits von jungen Mädchen. Ich habe sie als Zeichnungen angelegt, allerdings wählte ich farbige Holzbeize, Aquarellstifte und Kreide als Zeichenmaterial. Die Holzbeize wird mit dem Pinsel aufgetragen, als Linie mit einem Holunderstab, Aquarellstifte verlaufen in der Beize. Kreide hellt Flächen auf, setzt Lichtinseln.

So entstanden Portraitzeichnungen mit malerischer Wirkung, die nicht auf das genaue Abbild des Modells abzielen, sondern die charakteristische Körperhaltung, die individuelle Gestik und die Imagination einfangen, die die einzelne Person ausstrahlt.

Diese MÄDCHEN-Bilder setzte ich um in „meine Stoffbilder“, in eine Technik, die von der Fläche ins Dreidimensionale geht. Genäht, gestopft, auf Leisten aufgezogen, werden durch Licht- und Schattenwirkung, durch Leichtigkeit und Transparenz des Materials die Beweglichkeit der Mädchen verdeutlicht und die Flüchtigkeit des augenblicklichen Eindrucks festgehalten.

Diese Arbeiten zeigte ich in unterschiedlichen Situationen: Als Bild an der Wand, auf Rahmen aufgezogen oder frei hängend, in einer alten Fabrik eingespannt zwischen Eisensäulen, im Außenraum eingesponnen in die Vierungen von Balkonen oder vor alten, bewachsenen Ziegelmauern. In jeder Situation verändern die Bilder ihre Wirkung, ihren Charakter und ihren Ausdruck. Besonders im Außenraum sind sie abhängig von den Lichtverhältnissen, verstecken sich oder zeigen sich.

Komm Tanz… | Pina Bausch

Komm tanz

Mit dieser Arbeit setze ich mich mit Produktionen von Pina Bausch auseinander. Im Augenblick besteht sie aus zwei Objekten, sie ist so angelegt, dass sie weiter wachsen kann.

Ich nehme eine Szene auf aus »…komm tanz mit mir« auf und setze sie um in Nessel, Nähte und Stopfungen, in die Technik, die ich im Laufe meines künstlerischen Arbeitens entwickelt habe.
Durch die Stopfungen entstehen Stoffreliefs, die je nach Hängung, Lichteinfall und Standpunkt des Betrachters unterschiedliche plastische Wirkung haben. Mal sind die Nähte klar erkennbar, die Stopfungen wachsen plastisch in den Raum und reizen zum Berühren.

Aus einem anderen Blickwinkel gesehen verliert sich die plastische Anmutung. Die Erhebungen ziehen sich optisch zurück, die; Linien zeichnen die Struktur des Bildes nach und bilden Sichthilfen. Hier wird der zeichnerische Aspekt sichtbar.

Die Arbeiten haben noch eine weitere Wirkung: Wählt man einen bestimmten Standpunkt zum Betrachten und lässt sich auf eine langsame, ruhige und mediative Betrachtungsweise ein, so kann man erleben, dass die plastische Erhöhung sich optisch ins Gegenteil verwandelt und man das Objekt wahrnimmt wie den Schnitt einer Gemme.

Ich spiele in vielen meiner Arbeiten mit diesem Phänomen der konvexen und gleichzeitig konkaven Wahrnehmung, mit dieser Augentäuschung, die sich nur im Kopf des Betrachters abspielt.

Ausdruckskleider

Ausdruckskleider

In dem Zyklus FRAUENLEBEN – FAMILIENBILDER, in dem ich mich seit Jahren immer wieder mit dem Selbstbild von Frauen und der Frauenrolle in der Gesellschaft auseinandersetze, bilden Kleider einen wichtigen Schwerpunkt.

Hier zeige ich Abbildungen von zwei Objekten, diebei Frauen eng verbunden sind mit der Zeit des Zeugens und Gebärens. Das „Windel-Kleid“ visualisiert das enge Ein- und Angebundensein an Säuglingspflege und Betreuung. Ein Kokon aus Stäben – verengt am Hals- und im Fußbereich – wird mit 40 Metern Windelmull zu einer Hülle gewickelt. Die Hülle ist zwar durchsichtigt, aber nicht einsichtig. Sie läßt im Innern Raum läßt für Frau und Kind, aber von Innen her nicht zu öffnen. Nur von außen kann der Kokon durch Drehen und Ziehen an den Mullbahnen geöffnet werden.geöffnet werden.

Das zweite Kleid nimmt die gleiche Stabkonstruktion auf, allerdings bilden sie keinen Konkon, sondern zielen wie Armbrüste nach außen. Ein Mieder aus einem alten Leinenhandtuch hält die Mitte der Bögen zusammen, bildet eine Tallie, die immer wieder dem weiblichen Schönheitsideal aufgezwungen wird.

Die Kleider kann man anziehen und in ihnen beiden Bewußtseinszuständen nachspüren.

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Nachbarn

Nachbarn

Meine Arbeiten entspringen meinem täglichen Erlebnisfeld oder entwickeln sich aus direkten Begegnungen mit Menschen und Ereignissen.

Auf der Suche nach einer Wohnung, mit dem jüngsten Kind auf dem Arm, war die erste Begegnung mit unserem späteren Haus fast feindlich: Ein Mann im groß geöffneten Fenster, auf ein Kissen gelehnt, brummte uns an, dass hier keine Wohnung zu vergeben sei. Erinnerung an die Kindheit kam hoch, geöffnete Fenster, Menschen darin auf die Arme gestützt, Plausch mit der Nachbarin, hustende Bergleute in der Zechensiedlung, das Fernsehen vor dem Küchenfenster.

Die Installation NACHBARN nimmt das Erlebnis auf. Sie besteht aus fenstergroßen Rahmen, die von der Decke her im Raum angeordnet sind. Aus den Vierecken schauen mit hängenden Armen die Nachbar-Objekte heraus. Die Rahmen größten bilden den Vordergrund, die kleinsten hängen hinten. Sie imaginieren eine perspektivische Verkürzung und verstärken die Schärfe der Beobachtung durch die Figuren. Die Köpfe werden durch einfache Kreisforman gebildet, verändern allerdings durch ihre Platzierung im Objekt ihre Wirkung. Sie können je nach Haltung des Kopfes kontrollierend, mißbilligend, freundlich, auffordernd oder ablehnend wirken. Beim Hindurchgehen durch die Fensterfluchten wechselt der Zuschauer die Rolle: aus dem Betrachter wird der Beobachtete. Er wird vom handelnden Subjekt zum observierten Objekt.

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